Harald Saller
Letzte Aktualisierung: 2004-07-29
Postdoc-Projekt

Edieren und Kodieren. Technische Grundlagen für eine digitale Notker-Edition

Als Vorarbeit zu einer kommentierten digitalen Ausgabe von Notkers des Deutschen De interpretatione-Bearbeitung wurden die technischen Voraussetzungen für die TEI/XML-Kodierung geschaffen. Dies umfaßt neben der Erstellung einem vorläufigen XML-Schema die Selektion und Modifikation geeigneter Software zur Eingabe, Kontrolle, Verwaltung und Ausgabe der Datenstruktur.

Zur Notkerforschung

Die ersten uns überlieferten Aristoteles-Kommentare des lateinisch-abendländischen Mittelalters sind erstaunlicherweise in der Volkssprache Althochdeutsch verfaßt: Notkers des Deutschen kommentierende Übersetzungen der Kategorien und von De interpretatione. Die Volkssprachlichkeit einerseits wie die starke Quellenabhängigkeit andererseits haben Notkers Bearbeitungen zu einem Gegenstand vornehmlich des sprachwissenschaftlichen Zweigs der germanistischen Mediävistik gemacht. Dabei verdienen sie aufgrund ihrer Inhalte durchaus interdisziplinäre Beachtung; zu nennen wäre z.B. die Satzsemantik aus linguistischer wie aus sprachphilosophischer Sicht. Die neue Ausgabe wird es sich zur Aufgabe machen, Notker für interdisziplinäre Ansätze zu erschließen und gleichzeitig - durch Anwendung elektronischer Verfahren - das sprachwissenschaftliche Arbeiten zu unterstützen.

Die besondere Struktur der Texte Notkers

Kennzeichnend für Notkers Bearbeitungen ist ein komplexes Ineinander von Aristotelischem Text (in der lateinischen Übersetzung des Boethius), Kontextglossen, Umarbeitungen und althochdeutschen Übersetzungen des Grundtexts sowie unterschiedlich selbständigen Kommentarpassagen Notkers. Aus der Differenzierung der einzelnen Klassen von Textelementen und der Analyse ihrer Zusammensetzung zu einem Ganzen läßt sich ein Modell für die gesamte Textstruktur erstellen. Vorarbeiten wurden in der Dissertation von Harald Saller geleistet.

Textstruktur und Kodierung

Indem man dieses Modell mittels einer Textauszeichnungssprache wie XML kodiert, erhält man eine DTD (Document Type Definition). Mit der DTD wird die Textstruktur der elektronischen Datenverarbeitung zugänglich; ein geeignetes Computerprogramm "weiß" dann, wie der Text aufgebaut ist, d.h. welche Textelemente es gibt und wie diese sich zueinander verhalten können bzw.dürfen. An dieses Modell muß sich auch derjenige halten, der den Text kodiert, damit ein gültiges Dokument entsteht.

Wissenschaft und Kommunikationstechnik

Das Notker-Projekt soll so weit wie möglich mit freier Software (genauer: Open Source) arbeiten. Das Open Source-Prinzip ist mit den Grundsätzen wissenschaftlicher Zusammenarbeit kompatibel: Sämtliche Arbeitsergebnisse stehen frei zur Verfügung, und es herrscht die größtmögliche Transparenz bei ihrer Erarbeitung. Auf diese Weise können Kommunikationsstrukturen der Wissenschaft möglichst unabhängig vom Treiben des Marktes funktionieren. Dokumente blieben dann zeit- raum- und plattformübergreifend kommunizierbar.

Transparenz und Dokumentation

Es ist geplant, sowohl die hier skizzierte vorbereitende Phase als auch die Arbeit im Projekt so zu dokumentieren, daß künftige wie auch parallele Vorhaben von den Erfahrungen und (Zwischen-)ergebnissen profitieren können. Der Open Source-Gedanke soll somit nicht nur auf den im engeren Sinne technischen Bereich beschränkt bleiben. Letztendlich entspricht dies auch der Charakteristik Notkers, hat doch dessen stetiges und offenbar erfolgreiches Bemühen um Transparenz seinen Schüler Ekkehart IV. dazu veranlaßt, ihm den Beinamen apertus zu verleihen.

Demo

Eine Demo-Version findet sich unter <http://www.textkritik.uni-muenchen.de/hsaller/notker>.
E-mail: haraldsaller@onlinehome.de