Postdoc-Projekt
(Stand: 11.06.2004)

Sophie von Grotthuß und Marianne von Eybenberg. Texte und Korrespondenzen mit Johann Wolfgang von Goethe und anderen Freunden (Gemeinschaftsprojekt mit Barbara Hahn, Princeton University)

In zwei Kontexten vor allem wurden die Namen der beiden jüdischen, später zum Christentum konvertierten Berliner Bankierstöchter und Schwestern Sophie von Grotthuß (1763-1828, geb. Sara Meyer, verw. Wulf) und Marianne von Eybenberg (1770-1812, geb. Meyer) überliefert: Beide waren mit Johann Wolfgang von Goethe und Rahel Levin Varnhagen befreundet. Insbesondere die Freundschaft mit Goethe garantierte den Schwestern einen Platz in der Geschichte. Allerdings wurden ihre Korrespondenzen mit dem Dichter bisher nur auszugsweise gedruckt; damit geht eine überhaupt sehr selektive Wahrnehmung dieser beiden Frauen (Klischee 'schöne Jüdin') in der Forschung einher. Unsere Edition strebt u. a. eine Revision dieses Bildes an.

Sie umfaßt die Herausgabe sämtlicher überlieferter Schriften und Korrespondenzen der Meyer-Schwestern (mit Ausnahme des Briefwechsels mit Rahel Levin Varnhagen, da dieser bereits in der 'Edition Rahel Levin Varnhagen' erscheinen wird). Damit soll der kulturhistorischen Forschung ein äußerst umfangreiches und komplexes Quellenkorpus aus einer zentralen Umbruchphase der europäischen Geschichte zur Verfügung gestellt werden, das vor allem als Grundlage für die Rekonstruktion einer Geschichte weiblich-jüdischer Akkulturation von herausragender Bedeutung ist.

Neben den Korrespondenzen mit Goethe beinhaltet das bisher nahezu vollständig unveröffentlichte Material die Korrespondenz der Schwestern untereinander, ihre Schreiben an den schwedischen Diplomaten Karl Gustav von Brinckmann, den Ehebriefwechsel Sophie von Grotthuß', ihre literarischen Schriften und eine Vielzahl von an die beiden Schwestern gerichteten Briefen, die einem äußerst weit verzweigten, verschiedene Kreise, Kulturen und Schichten umfassenden Korrespondentennetz entstammen. In einem gesonderten Kapitel werden wir zudem eine Akte veröffentlichen, die einen umfangreichen Bestand zur Taufe der beiden Schwestern, ihrer Rückkehr zum Judentum und nochmaligen Konversion, der Eheschließung von Grotthuß' und der Intervention zweier preußischer Könige in diese Vorgänge enthält.

Seine besondere Bedeutung als Basis für die Erforschung jüdischer Akkulturationsverläufe gewinnt das gesamte Textkorpus vor allem durch die Breite und Offenheit, mit der hier Möglichkeiten wie Grenzen der Assimilation von Juden respektive Jüdinnen verhandelt werden. Zudem zeichnet es sich durch die Vielfalt der Perspektiven aus, die es auf die Kodierungen von Ausschluß und Integration im Prozeß weiblich-jüdischer Akkulturation wirft.

Die Herausgabe der Texte ist als eine Archivedition konzipiert: Das heißt, das Material wird diplomatisch nach den Handschriften gedruckt und mit einem ausführlichen, textkritische und erläuternde Anmerkungen integrierenden Kommentar versehen. In klarer Abgrenzung von Text- und Kommentarteil wird zudem in Form zweier Aufsätze ein Lektüreversuch des Schreibens der beiden Schwestern wie des gesamten vorgelegten Materials und damit auch der Versuch einer Situierungsgeschichte des durch die Edition erzeugten Textgefüges unternommen. Dieses bewußte Überschreiten der Grenze einer reinen Herausgabe rechtfertigt sich durch eine deutliche Markierung der Unterschiedlichkeit der Textsorten Edition und Interpretation und ist konzeptionell dadurch begründet, daß Marianne von Eybenberg und Sophie von Grotthuß bisher von der Forschung kaum jemals wirklich berücksichtigt wurden; die Zugänglichkeit zu ihrem schwer lesbaren Schreiben, das unsere Ausgabe präsentiert, soll auf diese Weise erhöht werden.

Laufende Projekte
(Stand: ..)

[Hg. zus. mit Barbara Hahn], Schreibwechsel/Briefwechsel. Marianne von Eybenberg und Sara von Grotthuß: Texte und Korrespondenzen mit Johann Wolfgang von Goethe und anderen Freunden, Göttingen: Wallstein (erscheint demnächst)

Mariane Caroline Esperance von Eybenberg, geb. Meyer, Witwe Fürst Heinrich XIV. Reuß. Eine biographische Recherche [in Vorbereitung]

Publikationen

Aufsätze

  • Lasen Frauen wirklich anders? Ein historisch-empirischer Beitrag zur genderorientierten Leseforschung. In: Feministische Studien. Schwerpunktheft: "Kritik der Kategorie Geschlecht" revisited: Empirische Forschungen, 19. Jg. (2001), H. 2, S. 9-22.
  • "Die Sehnsüchte zum Fremden sind's, die Einigsein verbieten." Subjektkonstitution in Hans Henny Jahnns schwarzer Medea. In: Viktoria Schmidt-Linsenhoff/Karl Hölz/Herbert Uerlings (Hgg.), Weiße Blicke. Bild- und Textlektüren zu post-/kolonialen Geschlechtermythen, Marburg: Jonas 2004 (im Druck).
  • Der andere Mann. Homosozialität und Interkulturalität in Hans Henny Jahnns Drama Straßenecke (Manuskript abgeschlossen, erscheint demnächst).

Editionen

  • "Sie kommen mir vor wie ein unversiegbarer Quell" - Caroline Barduas Briefe an Goethe. In: Christiane Henkes/Walter Hettche/Gabriele Radecke/Elke Senne (Hgg.), Schrift - Text - Edition. Hans Walter Gabler zum 65. Geburtstag, Tübingen: Max Niemeyer 2003, S. 189-200.

Lexikonartikel

  • Novalis, Die Lehrlinge zu Sais. In: Reclams Romanlexikon. Bd. 2. Hg. v. Frank R. Max und Christine Ruhrberg, Stuttgart 1999, S. 12-13.
  • Novalis, Die Christenheit oder Europa. In: Reclams Romanlexikon. Bd. 2. Hg. v. Frank R. Max und Christine Ruhrberg, Stuttgart 1999, S. 13-14.
  • Novalis, Heinrich von Ofterdingen. In: Reclams Romanlexikon. Bd. 2. Hg. v. Frank R. Max und Christine Ruhrberg, Stuttgart 1999, S. 14-17.
  • Fanny Lewald, Jenny. In: Reclams Romanlexikon. Bd. 2. Hg. v. Frank R. Max und Christine Ruhrberg, Stuttgart 1999, S. 290-291.
  • Ruth Klüger, weiter leben. Eine Jugend. In: Reclams Romanlexikon. Bd. 5. Hg. v. Frank R. Max und Christine Ruhrberg, Stuttgart 2000, S. 161-162.

Monographien

Rezensionen

  • Frei und Frau. Sieben eigenwillige Lebensbilder, Bensheim/Düsseldorf 1993. Frei und Frau 2. Außergewöhnliche Lebensbilder, Bensheim/Düsseldorf 1994. In: Virginia. Zeitschrift für Frauenbuchkritik, Nr. 19 (1995), S. 33.
  • Paul Goetsch (Hg.), Lesen und Schreiben im 17. und 18. Jahrhundert. Studien zu ihrer Bewertung in Deutschland, England, Frankreich (ScriptOralia 65), Tübingen 1994. In: Das Argument. Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaft, 38. Jg. (1996), H. 1, S. 131-132.
  • Barbara Hahn (Hg.), Frauen in den Kulturwissenschaften. Von Lou Andreas-Salomé bis Hannah Arendt, München 1994. In: Das Argument. Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaft, 38. Jg. (1996), H. 1, S. 140-141.
  • Hartmut Eggert/Christine Garbe, Literarische Sozialisation, Stuttgart/Weimar 1995. In: Literatur in Wissenschaft und Unterricht, 29. Jg. (1996), H. 2, S. 130-131.
  • Kerstin Geisel, »Die Schöne und das Biest« - wie die Tagespresse über Vergewaltigung berichtet (Medien- und Geschlechterforschung, Bd. 5), Münster 1995. In: Medienwissenschaft 1996, H. 4, S. 445-447.
  • Anne-Charlott Trepp, Sanfte Männlichkeit und selbständige Weiblichkeit. Frauen und Männer im Hamburger Bürgertum zwischen 1770 und 1840 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 123), Göttingen 1996. In: Das Argument. Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaft, 39. Jg. (1997), H. 1, S. 132-133.
  • Milena Jesenská, »Ich hätte zu antworten tage- und nächtelang«. Die Briefe von Milena. Hg. u. aus d. Tschech. v. Alena Wagnerová, Mannheim 1996. In: Virginia. Zeitschrift für Frauenbuchkritik, Nr. 22 (1997), S. 1.
  • Susanne Kord, Sich einen Namen machen. Anonymität und weibliche Autorschaft 1700-1900 (Ergebnisse der Frauenforschung, Bd. 41), Stuttgart/Weimar 1996. In: Feministische Studien, 15. Jg. (1997), H. 1, S. 177-180.
  • Walter Erhart/Britta Herrmann (Hgg.), Wann ist der Mann ein Mann? Zur Geschichte der Männlichkeit, Stuttgart/Weimar 1997. In: Referatedienst zur Literaturwissenschaft, 29. Jg. (1997), H. 3, S. 553-556.
  • Anita Runge, Literarische Praxis von Frauen um 1800. Briefroman, Autobiographie, Märchen (Germanistische Texte und Studien, Bd. 55), Hildesheim/Zürich/New York 1997. In: Referatedienst zur Literaturwissenschaft, 30. Jg. (1998), H. 3, S. 481-484.
  • Karin Tebben (Hg.), Beruf: Schriftstellerin. Schreibende Frauen im 18. und 19. Jahrhundert, Göttingen 1998. In: Feministische Studien, 18. Jg. (2000), H. 1, S. 153-155.
  • Holger Schwinn, Kommunikationsmedium Freundschaft. Der Briefwechsel zwischen Ludwig Achim von Arnim und Clemens Brentano in den Jahren 1801 bis 1816 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, Bd. 1635), Frankfurt am Main/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1997. paratexte printmedial, 1. Jg. (2000), H. 2, S. 363-364.
  • Barbara Becker-Cantarino, Schriftstellerinnen der Romantik. Epoche - Werke - Wirkung, München 2000. IASLonline 2002: <http://iasl.uni-muenchen.de/rezensio/liste/schlichtmann.html>.
  • Susanne Barth, Mädchenlektüren: Lesediskurse im 18. und 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2002. In: Colloquia Germanica (im Druck).
 
Kontakt


Dr. phil. Silke Schlichtmann