Postdoc-Projekt
(Stand: 04.06.2004)

Reformatorische Bildkonzepte - Die lutherische Konfessionalisierung in der Kunst des 16. Jahrhunderts

Das Forschungsprojekt führt die Forschungsarbeiten am Zentralinstitut für Kunstgeschichte (Nov. 2000-Okt. 2001) über das Wittenberger Altarretabel von Lucas Cranach d.Ä. und im Graduiertenkolleg "Textkritik" (Nov. 2001-Okt. 2002) zur Frage der Schriftverwendung in und auf Reformatorischen Bildern fort.

Untersucht werden dabei die Strategien der Identitätsfindung und -bildung der unterschiedlichen Richtungen und Gruppierungen der Reformation, die sich von bislang anerkannten Traditionen lösen wollen, eigene Wurzeln suchen und eigene, legitimierende Traditionen für sich beanspruchen. Das geschieht exemplarisch über drei Ebenen: Ikonographie, Funktion und künstlerische Invention.

Die ikonographische Ebene verfolgt schwerpunktmäßig die Traditionslinien der Weltgerichtsikonographie, deren spätmittelalterliche Bildformulierungen besonders nachdrücklich in die Kritik Luthers geraten. Die verschiedenen Korrekturen, Um- und Neuformulierungen des Bildthemas lassen Rückschlüsse auf die Durchsetzungskraft der lutherischen Lehren, bzw. auf die Eigenständigkeit des Bildes gegenüber der theologischen Theorie zu.

Die funktionale Ebene untersucht die Verknüpfung von Bild- und Inschriftprogrammen mit funktionalen Kontexten, wie Altarretabel, Epitaph, Taufbecken und Predigtkanzel. Ausführung und Ausgestaltung der Objekte spiegeln dabei Akzentverschiebungen in der Nutzung und Bedeutung wieder. Gleichzeitig reklamiert man für sich die wahre Fortführung der ursprünglichen Ideen und präsentiert sich - in diesen Kontexten vorwiegend der eigenen Gruppierung - als die Anhänger des richtigen zur Erlösung führenden Glaubens. Auffällig bleibt jedoch, daß man sich formal kaum oder nur sehr verzögert von den bisherigen Traditionen löst.

Der dritte Ausgangspunkt, die künstlerische Invention, beleuchtet vor allem die Anpassung der Künstler an die neue Situation, die sie mit Auftraggeberschaft aus neu- und altgläubigem Lager konfrontiert. Bekanntestes Beispiel hierfür ist Cranach d.Ä., der sowohl für die Reformatoren um Luther, aber auch für Kardinal Albrecht von Brandenburg tätig war. Die Fragestellung zielt darauf ab, ob innerhalb einer Künstlerwerkstatt zwischen neu- und altgläubigem Auftrag differenziert wurde, inwieweit Bildsprache und -form eine Anpassung erfuhren.

Auf allen Ebenen spielen die didaktischen Bildmittel und damit die Stellung des Mediums Bild im Vergleich mit dem Medium Schrift eine große Rolle. Auffällig erweist sich dabei, daß ähnlich wie im ausgehenden Mittelalter, zu Beginn der Reformation nur bestimmte Funktionszusammenhänge eine massive Verwendung von Inschriften aufweisen. Dies sind vor allem sog. Lehrtafeln, also ein Kontext, der zur überzeugenden Verbreitung der neuen Lehre die Argumentationsgrundlage der Schrift, der Bibel, gebrauchte. Grundsätzlich - und entgegen mancher herrschenden Vorurteile gegenüber der reformatorischen Kunst - kann aber auch das Bild seine Stellung und seine ihm eigenen Vermittlungsmöglichkeiten behaupten. Besonders deutlich geschieht dies auf der bildpolemischen Ebene, hier kann das Medium "Bild" in spezifischer, eindringlicher Weise, sozusagen "ohne Worte", den Gegner entlarven und diffamieren. Aber auch lehrhafte Inhalte, wie die Rechtfertigungslehre, werden im Zusammenspiel der Medien vor allem über das Bild transportiert, die Schrift in Form der Bibelzitate kommt die Aufgabe der Legitimierung zu. Inschriften sind hier Beleg der Rechtmäßigkeit der vermittelten Lehre.

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Dr. phil Susanne Wegmann