Graduiertenkolleg TEXTKRITIK"Textkritik als Grundlage und Methode historischer Wissenschaften" |
Dissertation Stand: 02.06.2004 Die Revisionspraxis von Henry James: zum historischen Bedingungsverhältnis von Schreibprozess und AutorschaftInwieweit kann das Schreiben von Henry James (1843-1916), wie es sich in der Varianz seiner Texte manifestiert, in funktionalen Bezug gesetzt werden zu kulturgeschichtlich vorgegebenen Modellen von Autorschaft? Wo läßt sich in der Revisionspraxis des Autors ein individueller Handlungsspielraum und eine partielle Autonomie im Hinblick auf das historische Bedingungsgefüge seines Schreibens verorten? Mit dieser Fragestellung ist ein doppeltes Erkenntnisinteresse verbunden. Zum einen durchbricht der funktionale Bezugsrahmen die formalästhetische Grundorientierung, welche die textkritischen Untersuchungen zu James' Revisionspraxis weiterhin zu großen Teilen leitet. Zum anderen kann die literaturwissenschaftliche Beschreibung auktorialer Schreibprozesse als Grundlagenforschung für eine historisch fundierte Funktionstheorie schreibender Subjektivität verstanden werden. Dies erweist sich in dem Maße als Forschungsdesiderat, in dem sich das poststrukturalistische Theorem dezentrierter Subjektivität als zunehmend unzureichend und reduktiv erwiesen hat. Jeder editionspraktische oder editionsheoretische Umgang mit Schreib- oder Überlieferungprozessen impliziert ein bestimmtes Autorkonstrukt, sei es, daß das jeweilige Autormodell bestimmten editorischen Entscheidungen und Legitimationsversuchen bereits zugrunde liegt, sei es, daß die editorische Behandlung von Schreib- und Überlieferungsprozessen ein entsprechendes Autormodell allererst erzeugt. Aus der geschichtlichen Entwicklung, der die Editorik als Wissensdisziplin unterliegt, ergibt sich die historische Variabilität des von ihr erzeugten Autorbegriffs. Der Fluchtpunkt dieses Bedingungsverhältnisses von Schreib-/Überlieferungsprozessen und Autorschaft in der Editorik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist die Anthropologie des ästhetischen Subjekts, die Bestimmung kreativer Individualität. Dies ergibt sich aus der Untersuchung von editionstheoretischen Texten aus dem Bereich der deutschen Editorik sowie angelsächsischen Editionen von Schriften der englischen Romantik im genannten Zeitraum. Im Rückgriff auf denk- und kulturgeschichtliche Ansätze W. Lepenies', M. Foucaults und R. Kosellecks galt das Interesse insbesondere den methodischen und inhaltlichen Anleihen der Editorik bei den normativen Vorgaben anderer Wissensdisziplinen des 19. Jahrhunderts. Die dadurch geleistete historische Rekonstruktion bietet die geeignete Interpretationsfolie, vor deren Hintergrund James' Revisionspraxis als Medium auktorialer Selbstbestimmung und als Reaktion auf historisch vorgegebene Diskursmuster befragt werden kann. Die Auswahl der zu interpretierende Texte konnte durch die Verknüpfung editionsphilologischer und literaturwissenschaftlicher Erkenntnisprinzipien motiviert werden. Die in vier Fassungen vorliegende Erzählung A Passionate Pilgrim, die in drei Fassungen vorliegende Erzählung The Jolly Corner sowie der unvollendete Roman The Sense of the Past sind durch eine hochgradige Analogie auf der Handlungsebene gekennzeichnet. Zudem versteht James den Roman ausdrücklich als Umschrift der Erzählung The Jolly Corner. Sowohl die intertextuelle Bezogenheit der drei Texte als auch das im engeren Sinne textkritische Kriterium der Revision legitimieren es, alle drei Texte als Teil einer Schreibsequenz und damit als Gegenstand der literaturwissenschaftlichen Untersuchung zu begreifen. Des weiteren wurden Entwurfsskizzen und andere Entstehungsdokumente (Briefe, Notizen, Essays etc.) berücksichtigt. So konnte ein komplexes Textgeflecht rekonstruiert werden, das zum einen die Genese der drei Haupttexte repräsentiert, zum anderen aber den Ausgangspunkt für weitere Schreibprozesse bildet. Insofern die Hypothese eines funktionalen Zusammenhangs zwischen Schreibprozeß und auktorialem Selbstverhältnis sich auch hinsichtlich der nicht-fiktionalen Schreibpraxis zu bewähren hatte, galt James' Reiseberichten und seinen poetologischen Essays hierbei besonderes Interesse. | |
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