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Boethius stellt den Unterschied zu den Kategorien ausführlich, wenn nicht umständlich dar, und zwar unter Verwendung des im ersten Kapitel eingeführten dreiteiligen Zeichenmodells (res-anima-vox). In den Kategorien seien all die mentalen Inhalte, auf die mit sprachlichen Ausdrücken Bezug genommen werden kann, in zehn Klassen eingeteilt. In De interpretatione dagegen gehe es um Urteile, d.h. Aussagesätze, und ihre zwei Bestandteile Nenn- und Aussagewort. Der Bereich der möglichen Inhalte dieser beiden Ausdrucksformen ist wiederum die Menge der Kategorien:
erunt ergo interpretationis duae primae partes nomen et verbum. his enim quidquid est in animi intellectibus designatur; his namque totus ordo orationis efficitur. et in quantum vox ipsa quidem intellectus significat, in duas (ut dictum est) secatur partes, nomen et verbum, in quantum vero vox per intellectuum medietatem subiectas intellectui res demonstrat, significantium vocum Aristoteles numerum in decem praedicamenta partitus est. atque hoc distat libri huius intentio a praedicamentorum in denariam multitudinem numerositate collecta, ut hic quidem tantum de numero significantium vocum quaeratur, quantum ad ipsas attinet voces, quibus significativis vocibus intellectus animi designentur, quae sunt scilicet simplicia quidem nomina et verba, ex his vero compositae orationes. (Meiser II 7,9-24)
Es gibt also zwei erste Teile der Interpretation, Nomen und Verb. Durch diese nämlich wird das, was in den Erkenntnissen des Geistes ist, bezeichnet; aus diesen geht nämlich die ganze Ordnung der Rede hervor. Und demgemäß, inwieweit die Stimmäußerung Erkenntnisse bedeutet, wird sie, wie gesagt, in zwei Teile eingeteilt, Nomen und Verb; demgemäß, inwieweit aber die Stimmäußerung die der Erkenntnis zugrundeliegenden Dinge durch die Vermittlung der Gedanken anzeigt, hat Aristoteles die Zahl der bedeutenden Stimmäußerungen in zehn Kategorien eingeteilt. Und das Vorhaben dieses Buches unterscheidet sich von der in einer Menge von zehn zusammengefaßten Vielzahl der Kategorien dadurch, daß hier ja nur insoweit von der Menge der bedeutsamen Stimmäußerungen gehandelt wird, als das die Stimmäußerungen selbst betrifft, mit welchen bedeutsamen Stimmäußerungen die Erkenntnisse des Geistes bezeichnet werden, die offensichtlich einfache Nomen und Verben sind, aus denen wiederum Reden zusammengesetzt sind.