Martin Baisch
Letzte Aktualisierung: 2004-05-28
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Männlichkeit und Identität in der Literatur des Mittelalters. Wissen und Emotionalität

Erfolge in der Hirnforschung haben in letzter Zeit auf den Zusammenhang von Wissen und Emotionalität verstärkt aufmerksam gemacht. Sie lassen u.a. erkennen, daß der überkommene Gegensatz von Rationalität und Emotionalität oder die Annahme einer Priorität des Verstandes über das Gefühl sich als falsch erweisen. Freilich ermöglicht auch die historische Perspektive Einblicke in das komplexe Zusammenspiel von Wissen und Gefühl. Staunen und Neugier beispielsweise können als "kognitive Leidenschaften" (Daston) aufgefaßt werden, welche bei der Herausbildung der frühneuzeitlichen Wissenschaft eine wichtige Rolle gespielt haben (Blumenberg). Doch auch poetische Texte sind für den Zusammenhang von Wissen und Emotionalität von Bedeutung: Sie können als spezifische Wissensform verstanden werden, in welcher über die Funktionalisierung von Emotionen die Kognition auf charakteristische Weise modelliert erscheint. So zeigt sich in vielen mittelalterlichen Texten, daß Gefühle in spezifischen Situationen erlernt werden. Als ein Lernprozeß kann z. B. die Erziehung Parzivals zur schame in Wolframs Gralroman interpretiert werden; die Codierungen von zorn etwa im Willehalm verweisen auf ein diskursives Feld, in dem Wissen und Gefühl permanent interagieren.

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