Dissertation deutsch
Stand: 2005-08-12

Jacob Grimms Vorlesung über die Geschichte der deutschen Literatur von der ältesten bis zur neuesten Zeit. Edition und Kommentar. Möglichkeiten, Grenzen und Probleme einer Vorlesungsedition. 

Der zu den Gründungsvätern der Germanistik zählende Jacob Grimm hielt während seiner Göttinger Jahre (1829-1837) an der Georg-August-Universität neben Vorlesungen zur Rechtsgeschichte, zur deutschen Grammatik und zu einzelnen Dichtungen des Mittelalters auch eine Vorlesung über die "Geschichte der deutschen Literatur von der ältesten bis zur neuesten Zeit". Der Literaturgeschichtsvorlesung kommt, da sie den einzigen Versuch J. Grimms bildet, die Geschichte der deutschen Literatur im Zusammenhang darzustellen, in seinem Werk eine besondere Bedeutung zu. Zur Literaturgeschichtsvorlesung ist kein Manuskript J. Grimms erhalten, sie ist lediglich durch fünf studentische Mitschriften überliefert. Allein diese Materialien stehen einem Herausgeber zur Verfügung.

Eine intensive Untersuchung zur Textsorte "Vorlesungsmitschrift" und des Prozesses der Niederschrift mündlicher Vorträge durch nicht-stenographische Halbkurzschriften führte zu dem Ergebnis, daß Vorlesungsmitschriften kaum den genauen Wortlaut einer Vorlesung wiedergeben können, sondern vielmehr eigenständige Reproduktionen der Hörer darstellen. Ziel der Edition aber ist es, einen zitierfähigen Text J. Grimms der Forschung bereitzustellen. Der authentische Text des Vortrags ist jedoch eine "virtuelle" Größe, auf die die Mitschriften nur verweisen können. Diese stellen andererseits die einzigen Quellen zur Vorlesung dar und sollen deshalb weitgehend konservativ behandelt werden. Allerdings dürfen nicht vornehmlich die Eigenheiten der mitschreibenden Studenten dokumentiert werden, vielmehr ist das Potential der Mitschriften in Bezug auf den Text des nicht mehr greifbaren mündlichen Vortrags zu erschließen und aufzubereiten.

Die besondere Überlieferungssituation hat entscheidende Konsequenzen für die Kommentierung. Während konventionelle Kommentarbereiche (z.B. Worterklärungen, Zitat- und Literaturnachweise) unproblematisch sind, erhält der Kommentar in der hier vorgestellten Vorlesungsedition noch eine erweiterte Funktion: Jede Erläuterung unklarer oder fragmentarischer Passagen der Mitschriften bedeutet einen Schritt der Rekonstruktion des "virtuellen" Textes.

Die Dissertation wird zwei Teile umfassen. Im diskursiven Teil der Arbeit werden Überlieferung, wissenschaftlicher Kontext, Textsorten- und Kommentarprobleme erörtert. Der zweite Teil enthält die eigentliche Edition einschließlich Kommentar.

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