Dissertation deutsch
Stand: 2004-06-01

Untersuchungen zum Wissenschaftsbegriff in Geschichtsschreibung und Literatur im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts 

Die Arbeit unternimmt einen kulturhistorischen Vergleich der Wissenschaftskonzepte in Geschichtsschreibung und Literatur im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Im Zentrum der Untersuchung stehen die theoretischen Selbstaussagen und die historiographische bzw. literarische Praxis von Gabriel Monod (1844-1912) und Emile Zola (1840-1902).

Am Beispiel Gabriel Monods wird die Entstehung und Legitimierung eines historiographischen Wissenschaftsbegriffs bzw. einer wissenschaftlichen Geschichtsschreibung in Frankreich untersucht. Monod betont, wie die meisten französischen Historiker seiner Zeit, den empirischen Charakter der Geschichtsschreibung gegenüber dem spekulativen Charakter der Geschichtsphilosophie. Die Beschäftigung mit den erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Geschichtsschreibung wird mehr und mehr auf die Etablierung von Regeln der historischen Forschung beschränkt. Monod geht sowohl in seinen theoretischen Schriften als auch in seiner praktischen historiographischen Arbeit und der akademischen Lehre von einem engen Kritikbegriff aus. Durch die gleichzeitige Beschränkung auf schriftliche Quellen wird Geschichtsschreibung damit letztlich auf Textkritik reduziert.

Während Monod maßgeblich vom deutschen Historismus und der textkritischen Methode im Sinne Karl Lachmanns beeinflußt wird, sieht sich Zola eher als ein Soziologe avant la lettre in der Tradition der positivistischen Philosophie Auguste Comtes, der Experimentalmedizin Claude Bernards und der Milieutheorie Hippolyte Taines. Es wird gezeigt einerseits in welcher Form und zu welchem Zweck Zola die Wissenschaftsdiskurse seiner Zeit rezipiert, andererseits inwiefern sich die Überlegungen zum Wissenschaftsbegriff in seiner praktischen schriftstellerischen Arbeit niederschlagen.

Zum Ende des Jahrhunderts hin und nicht zuletzt als Resultat ihres gemeinsamen Engagements während der Dreyfusaffäre sehen Monod und Zola die Brüchigkeit und Angreifbarkeit ihrer Wissenschaftsbegriffe und besonders der als Garant für Wissenschaftlichkeit beschworenen Methode.

In ihrer skeptischen Haltung gegenüber philosophischen Systemen, in der unkritischen Anerkennung sogenannter 'historischer Fakten' und dem unproblematischen Übergang vom Fakt zur Wahrheit, in der Festlegung der Sprache auf ihre referentielle Funktion, in ihrem Selbstverständnis schließlich als Historiker und Schriftsteller nähern sich Monod und Zola trotz teilweise sehr unterschiedlicher Referenzen einander an. Ihr Verständnis von Wissenschaft wirkt im akademischen Wissenschaftsbetrieb und in populären Wissenschaftsauffassungen partiell bis heute fort.

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